1. – 20.11.2017
In den letzten Tagen haben wir mit der Plage Blanche den vorläufig südlichsten Punkt unseres Aufenthalts hier in Marokko erreicht – von nun an geht es nach Norden. Erst wenn wir dann wirklich in Richtung Südafrika aufbrechen, werden wir diesen «Rekord» brechen.
Da wir noch etwas Zeit haben, bis wir unseren Besuch aus der Schweiz in Fes erwarten, geniessen wir noch die angenehme Wärme in Südmarokko. Wir lassen uns an dem uns vom letzten Jahr her bekannten Stellplatz bei Nigel’s an der Atlantikküste für ein paar Tage häuslich nieder. Auf dem Weg dorthin machen wir etwas nördlich von Sidi Ifni eine Pause an einem uns ebenfalls schon bekannten Strand. Letztes Jahr ist Armin hier auf den Sand gefahren, was keinerlei Probleme mit sich brachte. Auch heute möchte er einige Meter auf den Strand fahren – warum er vergessen hat, den Allradantrieb zuzuschalten, weiss er bis heute nicht. Und so kommt es, wie es einmal kommen musste – MANni gräbt sich mit den Hinterrädern fast bis zum Differential in den weichen Sand ein! Uns bleibt nichts anderes übrig, als die Schaufeln auszupacken und die Räder freizubuddeln sowie die Luft in den Hinterrädern zünftig zu reduzieren! Dann doch noch den Allradantrieb einschalten – und wie wenn nichts wäre, bewegt sich unser Dickschiff wieder auf festen Grund. Dann die Räder wieder aufpumpen – alles in allem kostet uns diese akute Erinnerungslücke 45 Minuten Zeit. Für dieses Mal sind wir glimpflich davongekommen – hoffen wir, dass es nie schlimmer ausgeht und wir nicht tatsächlich steckenbleiben ?!
Nach all der Aufregung der letzten Tage haben wir nun aber wirklich eine Pause nötig – Nigel’s bietet sich hier als idealer Ort an – und wer weiss, vielleicht gibt es sogar den einen oder anderen Flug? Um es vorweg zu nehmen – auch dieses Mal sind wir zu bequem oder von den letzten 20 Jahren fliegen in Fiesch zu verwöhnt – wir bleiben am Boden. Lediglich der kleine Schirm, welcher nur zum Bodenhandling zugelassen ist, kommt an einem der Tage zum Einsatz – immerhin etwas!
Die drei Tage, welche wir hier verbringen, sind mit verschiedenen Aktivitäten rund um und im MANni schnell vorbei – nicht zu vergessen, eine Pause bedeutet auf Reisen nicht nichts zu tun! Immer gibt es etwas zum Waschen, Putzen, Aufräumen, Reparieren, Schreiben, Bezahlen usw.
Gemütlich und gut erholt machen wir uns sodann auf den Weg nach Norden – da es dort sicher kühler sein wird als hier, haben wir aber absolut keine Eile. Und so landen wir wieder bei den «blauen Felsen» bei Tafraoute.
Dort machen wir die nette Bekanntschaft von Ruth und Bernd aus Waldshut. Sie sind mit ihrem neuen grossen MAN mit Bliss-Aufbau unterwegs. Wir verbringen zusammen einen kurzweiligen und schönen Abend unter einem prächtigen Sternenhimmel – wenigstens so lange, bis der fast volle Mond das Funkeln zum Verblassen bringt. Am nächsten Morgen möchten sowohl sie wie auch wir weiter … aber bis beide Fahrzeuge angeschaut und durchbesprochen sind, ist es schon früher Nachmittag. Wir fahren doch noch, Ruth und Bernd entscheiden sich, heute noch hier zu bleiben.
Trotz der späten Abfahrt schaffen wir es noch bis an die Küste südlich von Agadir und stellen uns, da wir zum ersten Mal hier in Marokko eine Wohnmobilparkverbotstafel sehen, etwas ausserhalb eines Dorfes auf die Steilküste. Hier ist kein Verbot, aber am nächsten Morgen stehen wir gut bewacht von einem Soldaten da – so wie es tönt, werden in der Nähe militärische Schiessübungen durchgeführt. Auf dem Weg hierhin sind wir an einem grossen Truppenübungsplatz vorbeigefahren und befinden uns somit offensichtlich in ihrem Übungsrevier!
Als wir vor vier Wochen mit unserem defekten Ventil MAN Agadir gesucht haben, war an der im Internet angegebenen Adresse – nichts! Dieses Mal müssen wir nichts reparieren lassen und entschliessen uns, die Umfahrungsstrasse zu nehmen – und siehe da, ganz unschuldig und direkt an der Strasse ist die MAN Garage! Na ja, nun wissen wenigstens, wo sich die Werkstatt befindet und können nur hoffen, dass wir diese hier nicht brauchen, da der geplante Service Ende November bei MAN in Casablanca gemacht wird.
Wir haben ja schon einige Male die Erfahrung gemacht, dass es hier in Marokko nicht immer einfach ist, einen geeigneten Stellplatz für die Nacht zu finden. Dies ist auch einer der Gründe, warum wir dieses Jahr doch des Öftern auf Campingplätze ausweichen. Auch heute gestaltet sich die Suche an der Küste nördlich von Agadir als nicht einfach – auf den Platz bei der Ferienanlage, wo wir letzten Monat gestanden sind, möchten wir nicht, auch da wir schon am frühen Nachmittag dort vorbeifahren. Vielleicht doch auf einen Campingplatz – oder einfach auf die hohe Steilküste mit wunderbarem Blick auf den Atlantik, aber nahe der Strasse hinstellen??? Wir entscheiden uns für die letztgenannte Möglichkeit und bereuen es nicht – wir erhalten zwar im Verlauf des Abends noch Besuch von Marokkanern, welche ebenfalls hier den Sonnenuntergang und ein Nachtessen über dem Feuer geniessen, aber in der Nacht ist es ruhig und wir werden nicht belästigt.
Schon seit einigen Tagen sind wir wieder mit Gisela und Peter in Verbindung, welche nun ohne Tochter Daniela unterwegs sind. Sie ist von Marrakech aus nach Hause geflogen. Gisela und Peter sind jetzt noch im Süden unterwegs, müsse aber am 13.11. in Tanger Med. sein, von wo sie mit der Fähre über Barcelona nach Savona den Heimweg antreten werden. Schon beim Abschied am 29. Oktober haben wir abgemacht, dass sie sich wieder melden und wir, je nachdem, wo wir gerade sind, uns nochmals treffen. Wenn wir laaangsam die Küste hinauffahren und sie sich etwas beeilen, könnten wir uns in Essaouira treffen! Und so kommt es auch – am Mittag des 9. 11. sehen wir den Hino auf den Parkplatz am Rand der Ortschaft einbiegen – schön, dass es geklappt hat und wir unsere Freunde aus Österreich noch einmal sehen! Schon am Vortag und auch heute windet es stark und da sich der Parkplatz hinter einer Düne befindet, ist der Innenraum beider Fahrzeuge schon bald voller Sand – da muss bald wieder einmal gründlich gewischt und abgestaubt (oder eher abgesandet ?) werden!
Die nächste drei Tag sind wir wieder zusammen unterwegs. Es geht immer entlang der Küste – von Essaouira nach El Jadida, dann weiter auf der Autobahn (da die Gegend wirklich nicht schön ist und unsere Freunde nicht mehr sehr viel Zeit haben, siehe weiter oben) über Casablanca, Rabat und Meknes nach Volubilis, wo wir am späteren Nachmittag des 11.11. eintreffen. Auf dieser gesamten Strecke ist nur der Abschnitt südlich von El Jadida etwas interessanter: hier hat es z.T. riesige Gemüseanbauflächen, direkt am oder hinter dem Sandstrand. So ist das Gemüse praktischerweise gleich vorgesalzen ?! Dieser Boden ist sicher auch deshalb so fruchtbar, weil immer wieder Lagunen für genügend Wasser sorgen.
Volubilis – die grösste Römische Stadt der Antike in ganz Nordafrika. Währen ihrer besten Zeit müssen bis zu 20’000 Menschen hier gewohnt haben. Heute sind nur noch Trümmer und Ruinen übriggeblieben, welche die Grösse der Stadt und der Gebäude aber noch erahnen lassen. Was aber den besonderen Reiz dieser antiken Stätte ausmacht und deshalb ein Besuch absolut lohnenswert ist, sind die vielen, noch sehr gut erhaltenen Bodenmosaike. Es ist erstaunlich, wie sich die Farben und Motive unter freiem Himmel so lange in dieser Pracht erhalten konnten! Einige der Mosaike werden zwar in letzter Zeit in akribischer und millimetergenauer Handarbeit restauriert, sind jedoch der erbarmungslosen Sonneneinstrahlung und dem Wind weiterhin ungeschützt ausgesetzt! Wir sind von diesen Mosaiken fasziniert und streifen bis zur Dämmerung zwischen den Ruinen umher. Ein Besuch, der sich hoffentlich in wenigen Tagen mit Heidi und ihrer Freundin wiederholen wird ?!
Campingplätze sind immer wieder gut, um fremde Menschen aus fernen Ländern kennenzulernen, auch wenn wir noch nie einen gut besetzten Platz gesehen haben. So erstaunt es nicht, dass auch der Platz in der Nähe von Volubilis nur spärlich besucht ist – nur ein weiteres Fahrzeug steht da. Etwas nach uns kommt jedoch ein Mietfahrzeug voller junger Leute, welche ihr Zelt nicht weit von den beiden Lastern aufstellen – und schon bald sind wir mit einem der jungen Männern in ein Gespräch vertieft – er ist absolut fasziniert von den Fahrzeugen, hat noch nie so etwas Ähnliches gesehen – na ja, verständlich, wenn man aus der Ukraine kommt ?!
Und wieder einmal heisst es von ganz lieben Freunden Abschied nehmen – wie ich das hasse! Es wird ein sehr emotionaler Abschied im Wissen, dass wir Gisela und Peter für lange Zeit nicht mehr sehen werden! Wir haben die Zeit mit euch in vollen Zügen genossen und freuen uns jetzt schon, euch irgendwann wieder zu sehen! Kommt gut nach Hause und meldet euch wieder.
Nach diesem Abschied folgt schon bald das nächste Wiedersehen – schon in zwei Tagen kommt der erwartete Besuch aus der Schweiz nach Fes. Und somit installieren wir uns wieder auf einem Campingplatz, wo wir bis zur Abreise von Heidi und ihrer Freundin stehen werden und das hier sehr praktische und günstige Verkehrsmittel Taxi benutzen werden, um in die Stadt zu fahren (mehr oder weniger günstig, wie wir bald merken, je nachdem, ob der Fahrer einen Aufschlag für Touristen geltend macht und pauschal kassiert, oder korrekt den Taxameter benutzt!). Aber erst einmal heisst es wieder putzen, wasc … genug davon, das Erwähnen dieser häuslichen Tätigkeiten wird so langsam langweilig ?.
Am frühen Abend können wir dann meine Schwägerin Heidi und ihre Freundin Irene in ihrem Riad in der Medina von Fes begrüssen – und da es heute der Geburtstag von Heidi ist, haben wir auch gleich etwas zu feiern! Aber nicht nur Heidi wird beschenkt – nein, auch wir werden reichlich mit Fondue inkl. Maizena und Weisswein, Cervelats, Bratwürsten, Engadiner Nusstorte, Tirggel und weiteren Leckereien verwöhnt! Ausserdem werden die bestellten und an Heidi versandten Ersatzteile zuverlässig geliefert. Vielen herzlichen Dank!
Das Essen auf der offenen Terrasse zuoberst auf dem Gebäude mit herrlichem Blick über die erleuchtete Medina ist gut und reichlich, leider ist es aber auch hier Mitte November ziemlich kühl. Und somit wird es nicht allzu spät, bis wir uns verabschieden und uns zum Campingplatz etwas ausserhalb der Stadt chauffieren lassen. Trotz der Kälte – es war ein richtig schöner Abend.
Den nächsten Tag verbringen wir im Gassengewirr der Medina der als schönste Stadt der arabischen Welt gepriesenen Königsstadt Fes. Und wie in jeder Medina werden wir unzählige Male aufgefordert, uns die Auslage anzusehen, nur kurz in das Geschäft zu kommen, Souvenirs für die Daheimgebliebenen auszusuchen … manchmal ist es wirklich nicht so einfach, dankend abzulehnen! Was wir aber annehmen, ist das Angebot eines jüngeren Mannes, uns eine traditionelle Gerberei und Färberei für Schaf- und Ziegenfelle anzusehen. Und ich muss trotz meiner anfänglichen Skepsis zugeben – es hat sich gelohnt. Letztes Jahr bei der geführten Besichtigung der Medina konnten wir die mit synthetischen Farben gefüllten Färbebottiche nur von weit oben vom Dach eines Ledergeschäfts anschauen (und das bei einem unangenehmen Gestank, etwas gemildert durch einen frischem Minzezweig, der unter die Nase gehalten wird). Die heute besuchte familiäre Gerberei arbeitet nur mit Naturfarben und wir können die harte Arbeit des Gerbens und Färbens zwischen den Bottichen balancierend aus nächste Nähe sehen! Und zu meinem grössten Erstaunen hat es hier nicht stark oder übel gerochen ?! Auch werden wir am Schluss nicht in ein Geschäft gelotst, wo man sich wieder mit allen Mitteln wehren muss, um sich nicht etwas vollkommen Überteuertes oder Unnötiges aufschwatzen zu lassen! Sehr angenehm – was sich auch in der Höhe des nicht ganz freiwillig gegebenen Trinkgeldes niedergeschlagen hat.
Nachdem wir am Vorabend einen angenehm entspannten Taxifahrer erwischt haben, finden wir uns heute mitten in der Rushhour im Taxi eines hektischen, nervösen, auf Arabisch fluchenden, sich zwischen die anderen Autos drängelnden, stetig hupenden und Lichthupe gebenden Fahrers wieder. Und wie er so um einen Kreisverkehr fährt, wird er von einem Polizisten herausgewinkt – was wiederum mit heftigstem Fluchen quittiert wird! Der Polizist geht um das Fahrzeug herum – und steigt hinten bei Armin ein!? Wie sich herausstellt, will er dem Taxifahrer keine Busse geben, sondern möchte lediglich bis zum Anfang des kommenden Staus mitgenommen werden, welcher sich nach einem kleinen Unfall gebildet hat! Er wird auch dorthin geführt – indem der Taxifahrer auf dem rechten Randstreifen an der Kolonne vorbeifährt! Andere Länder, andere Sitten ?!
Am zweiten und leider auch schon letzten gemeinsamen Tag fahren wir mit einem gemieteten Kleinbus mit Chauffeur nach Volubilis, Moulay Idriss und Meknes. Was den ganz normalen Tagesausflug doch noch, wenigstens zu Beginn, spannend gemacht hat ist die Tatsache, dass wir bis zum Zeitpunkt, wo wir am Campingplatz abgeholt werden sollten, nicht wussten, ob es überhaupt klappt. Und das kam so: am Morgen des vorhergehenden Tages haben wir auf dem Campingplatz unseren Stadtführer vom letzten Jahr getroffen. Er hat uns mit in die Stadt genommen und uns gefragt, ob wir einen Führer brauchen. Nein, danke, dieses Jahr nicht, aber – wir möchten morgen nach Volubilis etc. gefahren werden, ob er vielleicht …? Er hat uns versichert, ein Auto mit Fahrer für uns zu einem annehmbaren Preis zu organisieren. Er würde sich am Abend mit uns auf dem Campingplatz treffen und alles erläutern. Und bevor wir einwenden können, dass wir noch nicht wissen, wann wir zurück sein werden, ist er weg! Und wie wir vermutet haben, sind wir erst spät zurück und der erwartete Ansprechpartner schon lange weg. Telefonische erreichen wir ihn nicht und auf mein SMS kommt keine Reaktion. Somit heisst es – abwarten und hoffen, dass wir wie gewünscht abgeholt werden … was wir dann, wenn auch etwas zu spät, werden! Leider haben wir den netten Organisator nicht mehr getroffen und konnten uns nicht einmal für seinen Einsatz bei ihm direkt bedanken!
Wir alle haben den interessanten und kurzweiligen Tag, an dem wir durch eine schöne Landschaft zu interessanten Plätzen chauffiert wurden, sehr genossen. Zuerst geht es nach Volubilis, wo wir vor Heidi und Irene mit unserem Wissen über die antike Stadt prahlen können. Wiederum sind wir von den schönen und detailreichen Mosaiken fasziniert.
Dann geht es zur nahegelegenen heiligen Stadt Moulay Idriss, der bedeutendste Wallfahrtsort des Landes. Die Stadt auf zwei Hügeln hat ihren Namen vom ersten Herrscher eines unabhängigen marokkanischen Reiches, welcher im antiken Volubilis residierte und hier begraben liegt. Bis zum Beginn des französischen Protektorats durfte der gesamte Ort von Nicht-Muslimen nicht betreten werden. Heute können Angehörige aller Konfessionen die Stadt besichtigen, nur das Mausoleum des Moulay Idriss darf weiterhin nur von Muselmanen betreten werden.
Weiter geht es nach Meknes, einer der vier Königsstädte des Landes (die anderen sind Rabat, Marrakech und Fes). Nach einem überteuerten und uns nicht eben begeisternden Mittagessen lassen wir uns lediglich zu den wenigen Sehenswürdigkeiten dieser Stadt fahren, da es zu Fuss um die zwei Stunden gedauert hätte und wir den weiten Weg zurück nach Fes noch vor uns haben.
Zurück in Fes werden wir als Krönung dieses mit Sehenswürdigkeiten gespickten Tages, schon bei Dunkelheit (es ist mittlerweile schon kurz vor 6 Uhr dunkel!) von unserem Führer noch auf einen Aussichtsplatz hoch über der Medina gebracht, von wo aus wir den Blick auf die gesamte, geheimnisvoll schimmernde Medina geniessen können. Nach einem reichhaltigen und ausgezeichneten Mahl in einem kleinen Restaurant heisst es schon wieder – Abschied nehmen! Heidi und Irene möchten den Morgen noch in Ruhe verbringen und ohne Stress zum Flughafen fahren – wir möchten auch keinen Stress mit nochmals in die Stadt fahren – und somit verabschieden wir uns schon heute. Es war schön, euch beide hier zu haben. Wir haben die unterhaltsamen und kurzweiligen beiden Tage mit euch von ganzem Herzen genossen!
Als vorläufig letzten Termin hier in Marokko steht noch der am Montag, 20. November terminierte Ölwechsel und Check von MANni in der MAN-Werkstatt in Casablanca an. Und da die Fahrt von Fes nach Casablanca in einem Tag zu schaffen ist und unterwegs keine uns noch nicht bekannte Highlights auf die Erkundung warten, stehen wir schon am Freitagabend in einem Villenviertel einer Kleinstadt an der Küste nördlich von Casablanca. Aber irgendwie kommen wir den hiesigen Ordnungshütern suspekt vor: am Abend klopft es an die Tür und zwei Polizisten möchten von uns wissen, was wir hier machen – wir parken. Am nächsten Morgen ein Polizeiauto, welches vorbeifährt, ein Ordnungshüter in Zivil mit angeschriebenem Käppi auf einem Fahrrad bleibt stehen und telefoniert, ein Soldat läuft vorbei … offensichtlich ist hier eine gehobene Gegend und diese ist gut überwacht!
Den Samstag verbringen wir mit der eher chaotischen Fahrt über aufgerissene und z.T. schmale Strassen zu einem Supermarkt an der Peripherie der Grossstadt, wo wir unsere spärlichen Alkoholreserven aufstocken können (für hiesige Verhältnisse ein zwar teurer Spass, aber hie und da ein Glas Wein darf mann und frau sich doch noch gönnen ?). Bei den vielen Baustellen und dem z.T. rücksichtslosen Verkehr eine anstrengende Sache! Auf dem Weg dorthin lotst uns das Navi über kleinere Strassen durch am Stadtrand errichtete Bidonvilles, wie die Slums hier genannt werden. Unglaublich, wie hier in Casablanca Armut und Reichtum eng beieinanderliegen. Denn gleich im Anschluss an solche Bidonvilles stehen moderne Bürohäuser und Verkaufsstellen für teuerste Fahrzeuge!
Am frühen Nachmittag haben wir unsere Einkäufe getätigt und sind auf der Suche nach einem mehr oder weniger ruhigen Platz für die Nacht. Da wir uns erst morgen bei MAN für die Nacht hinstellen möchten (die Werkstatt liegt an einer stark befahrenen Strasse) ist die Suche nach einem geeigneten Platz in dieser Grossstadt alles andere als einfach! Ein bei Park4Night angegebener bewachter Parkplatz bei der grossen, auf Klippen errichteten Moschee Hassan II (1993 fertiggestellt, nach der in Mekka die zweitgrösste Moschee der Welt und mit nicht ganz freiwilliger Spendenhilfe der auch ärmsten Bevölkerung des Landes als Geschenk zum 60. Geburtstag des damaligen Königs Hassan finanziert) stellt sich als kleiner, enger und übervoller Parkplatz heraus. Aber auf der anderen Strassenseite werden wir geschickt von einem der selbsternannten Parkeinweiser in eine kleine Seitengasse inmitten eines Wohnviertels gewunken, wo wir MANni für kurze Zeit und gutes Geld seiner Obhut überlassen.
Der monumentale Sakralbau ist wirklich gigantisch und nur schon durch seine Grösse und Lage absolut beeindruckend! Als eine der wenigen Moscheen kann dieser Bau auch von Nicht-Muslimen betreten werden – dafür muss dieser aber ziemlich tief in seine Tasche greifen! Wir verzichten und ziehen einen kleinen Spaziergang entlang der anschliessenden Promenade einer Besichtigung vor. Aber dann heisst es wirklich, noch rechtzeitig vor der einbrechenden Dunkelheit einen geeigneten Stellplatz zu suchen. Wir entscheiden uns, es wiederum eher nördlich der Stadt zu versuchen – dort ist es nicht ganz so dicht besiedelt wie südlich. Und tatsächlich finden wir nur wenige Kilometer ausserhalb der Stadtgrenze einen tagsüber bewachten Parkplatz direkt am Strand – zwar nahe der Strasse, aber gar nicht allzu laut. Der nette Parkwächter versichert uns, dass es, auch wenn er in der Nacht nicht hier ist, kein Problem darstellt, hier zu nächtigen … unsere Freude über diesen erstaunlich schönen und ruhigen Platz währt jedoch nicht lange! Schon kurz nach dem Nachtessen klopft es an die Aussenwand – schon wieder die Polizei! Die beiden Beamten erklären uns, dass es hier wegen der unmittelbaren Nachbarschaft zu einem Bidonville nicht sicher ist – Überfälle sind zu befürchten! Wir müssen an einen bewachten Ort, z.B. an eine auch nachts geöffnete Tankstelle. Auf meinen Einwand, dass wir wegen Alkoholkonsums und der 0,00% Limite in diesem Land nicht mehr fahren dürfen (und dies eigentlich als eiserne Regel auch nicht machen) reagieren sie nur mit «macht nichts, hier können Sie nicht bleiben!» Die avisierte Tankstelle etwas weiter stadteinwärts ist eng und so stellen wir uns gleich daneben – geht nicht, werden wir vom Wachmann der dortigen Fabrik belehrt! Was nun – einen Platz möchten wir eigentlich nicht mehr lange suchen und so stellen wir uns, trotzdem wir das nicht wollten, schon heute vor das Tor bei MAN. Und auf unseren Hinweis an die beiden Wachmänner hin, dass wir am Montagmorgen hier einen Termin haben, wird dies auch toleriert.
Einen ganzen Tag müssen wir in Casablanca totschlagen –leider ist es nicht die romantische Stadt, wie im gleichnamigen Film vergegaukelt wird, sondern eine sehr europäische Grossstadt inkl. Verkehrschaos und Luftverschmutzung. (Übrigens: im Film «Casablanca» wurde keine einzige Szene in Marokko gedreht, es handelt sich um einen reinen Studiofilm!!!) Wir lassen uns vom ersten Taxi, das wir sehen, bis zur alten Medina fahren, wo wir, kaum sind wir durch das Tor gekommen, schon «abgefangen» und in unglaublichem Tempo durch die Gassen zu einem Bazar geführt werden. Eigentlich wollten wir ganz gemütlich durch diese als authentisch und noch nicht vom grossen Tourismus entdeckt beschriebene Medina schlendern. Mein entsprechender Einwand wird aber geflissentlich überhört! Erst als wir im mit lauter Kitsch überladenen Laden stehen kann ich dem guten Mann klarmachen, dass wir weder Interesse an noch Platz für überflüssige Souvenirs in Form von überall erhältlichen Lampen, Tücher, Holzarbeiten etc. haben! Endlich vom doch etwas enttäuschten und beleidigten «Führer» alleine gelassen, können wir doch noch in unserem Tempo weitergehen und in die bunte Welt dieser Medina eintauchen. Die in den Reisführern gepriesene Aussage, dass diese Medina fast nur von Einheimischen besucht sein soll, wird uns aber immer unwahrscheinlicher: genauso wie in allen marokkanischen Medinas wird der als solcher leicht zu erkennende Tourist auf Schritt und Tritt eingeladen, sich doch das schöne Sortiment im Geschäft anzusehen! Und von diesen «Beutetieren» hat es doch einige hier!
Im berühmten Film «Casablanca» ist Rick’s Café ein spezieller und romantischer Schauplatz. Dass es das Café gar nie gab, sondern es eine Kulisse ist, für die eine Bar in Tanger als Vorbild herhalten musste, schmälert den Genuss nicht, einmal in dem an der Adresse, wo es dem Film nach war, heute real existierende «Rick’s Café» einzukehren. Auch ohne die empfohlene Vorreservierung werden wir in das streng bewachte (3 Soldaten auf der Hinterseite des Gebäudes mit Gewehr im Anschlag, ein Wachmann beim Eingang, einer im Haus, warum bleibt uns ein Rätsel!), vor einigen Jahren von einer amerikanischen Ex-Diplomatin in einem alten maurischen Palast, den sie zu diesem Zweck gekauft hat, liebevoll eingerichtete und betriebene Restaurant eingelassen und geniessen ein vorzügliches, wenn auch nicht ganz billiges Mittagessen. Gelohnt hat es sich für uns auf jeden Fall, gemütlich, speziell, schön und gut war’s und ist das unangefochtene Highlight unseres nicht ganz freiwilligen Besuchs in dieser Stadt!
Weiter geht es mit dem Taxi zur «Medina nouvelle», einem von einem französischen Architekten entworfenen Viertel, welches angeblich wie eine moderne Medina wirken soll – eine Beschreibung, welche mir aber vollkommen rätselhaft geblieben ist. Ich wähne mich eher in einem Einkaufsviertel einer normalen europäischen Stadt und möchte nur noch so schnell wie möglich da raus! Auf der Suche nach einem Taxi zurück zu MANni erspähen wir einen Friseursalon für Frauen (eine rare Sache in den Gegenden und Ortschaften, wo wir uns gewöhnlich als Landeier so rumtreiben ?), welcher am Sonntagnachmittag geöffnet ist! DIE Gelegenheit, meine im Juli wieder kurz geschnittenen und unterdessen viel zu langen Haare wieder einmal in Form schneiden zu lassen. Und da Marokko bekanntlich in Afrika liegt und die Afrikaner über die Zeit verfügen, dauert es eine ganze Weile, bis der Meister vor Ort ist und sich an die Arbeit macht (hier schneiden die Männer die Haare, die zahlreich herumeilenden Frauen waschen, färben und föhnen diese nur!). Ich habe noch nie erlebt, dass mir so lange und immer wieder von Neuem mit einer anderen Schere oder dem Messer an den Haaren herumgeschnipselt wurde. Ist der Herr mit der einen Seite zufrieden, findet er sicher auf der anderen Seite noch ein Haar oder eine Partie, welche ihm nicht gefällt – und schon geht es weiter mit schnipseln und kämmen und hier noch ein wenig und da noch ein bisschen … Ich wollte meine Haare ja schon wieder kürzer, nötig war es allemal, aber irgendwann habe ich mir so gedacht, dass ich am Ende froh sein kann, wenn ich ohne Bürstenschnitt oder gar ganz ohne Haare hier wieder herauskomme ?! Ende gut – alles gut: die Haare sind zwar sehr kurz, aber sie wachsen ja schnell wieder und so ein Coiffeurbesuch in einem fremden Land ist eben auch ein kleines Abenteuer!
Apropos Abenteuer: ein Werkstattbesuch in Marokko steht dem in keiner Weise nach!
Nach einer zweiten Nacht vor dem Tor bei MAN werden wir schon kurz nach Arbeitsbeginn um 8:00 Uhr hereingebeten. Heraus kommen wir wieder zum Feierabend um 18:30! Voranschlagt waren für die zu erledigenden Arbeiten 4 Stunden, gebraucht hat es schlussendlich, mit einer Stunde Mittagspause, deren 9 ½! Meistens sind drei Arbeiter gleichzeitig mit derselben Arbeit beschäftigt, dann muss Armin wieder selber Hand anlegen und helfen oder einen Tipp geben, wie etwas gemacht werden könnte. Er hat wirklich versucht, alles so gut als möglich zu überwachen und zu kontrollieren, immer überall konnte er aber nicht sein. Und irgendwie sollte man den Fachleuten ja auch etwas Vertrauen entgegenbringen ?. Übrigens: als es ans Bezahlen geht, sind wir ganz erstaunt, dass uns nur die geplanten 4 Stunden Arbeit verrechnet werden, und dies zu einem unglaublichen Stundenansatz von umgerechnet ca. 21 CHF! Das obwohl, über den ganzen Tag gerechnet, sicher an die 20 Arbeitsstunden zusammengekommen sind!
Am nächsten Tag, nachdem wir wegen der schon hereingebrochenen Dunkelheit eine dritte Nacht vor dem Tor verbracht haben, sind dann trotz unserer ununterbrochenen Anwesenheit einige Sachen nicht ganz zu unserer Zufriedenheit erledigt worden. So ist z.B. die durch einen anderen Schlauch nötig gewordene Abänderung des Luftfilteranschlusses, welcher schon durch Actionmobil etwas unkonventionell an die geänderten Verhältnisse mit dem Aufbau angepasst wurde, trotz Anleitung von Armin nicht optimal ausgeführt, so dass wir befürchten müssen, dass der Luftschlauch irgendwann durch das neu aufgeschweisste, scharfkantige Metallrohr durchgescheuert wird! Und eine der beiden Befestigungsschrauben des Luftfilters ist nicht angezogen!
Oder dann dies: das Lenkrad ist nicht mehr gerade ausgerichtet, man muss zum Geradeausfahren etwas nach rechts halten (beim Unfall vom 19.10. hat sich das verstellt), nun muss nach links gehalten werden! Aber eben – wir haben es nicht vergessen und werden auch immer wieder daran erinnert: wir sind in Afrika!
In Afrika zu sein hat aber auch seine nicht zu verachtende Vorteile: bis jetzt sind die wirklich warmen Kleider immer noch tief in der Reservetasche vergraben ? … lediglich die kurzen Hosen sind momentan nicht unbedingt gefragt. Und da es am Abend zu dieser Jahreszeit doch etwas kühl wird, sind wir dann froh um eine Jacke oder den Pullover.
Goodby, rafiki yetu! Kwaheri kwa sasa …
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