09.10. – 11.11.2019
Lesotho, wir kommen …
Am 9. Oktober fahren wir gemütlich durch die südlichen Drakensberge in Richtung Grenzübergang. Hier ist alles in weniger als einer halben Stunde erledigt und schon sind wir in einem der kleinsten Länder Afrikas angekommen. Klein aber fein ist hier die Devise.
Das beginnt schon kurz nachdem wir die Grenze passiert haben. Hier gibt es eine sehenswerte Höhle mit Malereien der Buschmänner sowie Dinosaurierspuren im Fels. Gegen kleines Entgeld mit Guide zu besichtigen. Leider wird die Piste immer schlechter, ausgewaschener, schmaler und schmaler – bis sie so schlecht und schmal ist, dass wir umdrehen – die Kinder der somit zweimal passierten Schule kommen so in den Genuss, uns zweimal zuwinken zu können .
Schon auf den ersten Kilometern merken wir, dass es hier wieder afrikanischer zugeht. Die Kinder werden meist im Tuch auf den Rücken gebunden, die Lasten auf dem Kopf getragen, viele Leute sind zu Fuss unterwegs und oft afrikatypisch bunt gekleidet, Kühe, Ziegen, Schafe und Hühner sind auf und neben der Strasse (hurra, endlich hat es keine Zäune mehr !) und wir sehen vermehrt wieder Rundhütten. Etwas befremdlich erscheint uns, dass viele der Männer, vorwiegend junge, eine Art Roger-Staub-Kappe oder eine Trikotmütze tragen, welche über das ganze Gesicht gezogen wird und nur die Augen frei lässt. Die älteren Menschen tragen oft geflochtene Basotho-Hüte in ihrer typisch konischen Form. Und wir sehen viele Frauen mit aufgespanntem Regenschirm – so finden sie wenigstens ein bisschen Schatten!
Trotzdem es hier keine Zäune mehr hat ist es nicht einfach, einen Platz für die Nacht zu finden. Entlang der asphaltierten Hauptstrassen reihen sich Dörfer an Dörfer und auch ausserhalb sind überall Hütten zu sehen. Deshalb versuchen wir unser Glück etwas abseits – die ausgesuchte Piste wird aber schon bald derart schlecht und auch schmal, dass wir umdrehen.
Nachdem wir auch entlang einer weiteren Strasse, welche in die Berge führt, nur wenige Plätze sehen, wo wir uns im Notfall hinstellen würden, gelangen wir auf einer steinigen Piste und über den kleinen Pass mit dem schönen Namen «Gate to Paradise» in ein weites Hochtal mit phänomenaler Sicht in die Berge. Auch da leider nur Notfallplätze – überall Hütten und eine Lodge dazu. Da sich der Nachmittag so langsam seinem Ende nähert und wir wenig Alternativen sehen, quartieren wir uns in der besagten Lodge ein, respektiv stellen MANni auf einen der wenigen «Campingsites» zwischen den Gästehütten. Fast hätten wir dabei die gesamte Lodge stromlos gemacht – nun hängt das besagte Kabel wieder fest angezurrt an seinem Platz in knapp vier Meter Höhe !
Lesotho ist reich an kulturellen Schätzen und so sind wir am nächsten Tag mit Guide zu Felsmalereien unterwegs. Diese Malereien unterscheiden sich völlig von jenen in den Cederbergen und wiederum bin ich fasziniert von den detaillierten Darstellungen von Menschen und Tieren.
Maseru, die Haupstadt des Landes, empfängt uns mit Strassenmärkten, vielen Menschen, Chaos und Stau – welcome back to real Africa ! Es sind keine Sehenswürdigkeiten, da fehlend, welche uns hierhin führen, sondern schlicht und einfach – unsere frischen Lebensmittel gehen zur Neige und wir benötigen Bargeld. Das mit den Vorräten klappt hervorragend, an den ATMs können wir jedoch nur die Landeswährung Loti (MZ Maloti) beziehen. Lieber wären uns Südafrikanische Rand, denn in Lesotho wird auch diese Währung akzeptiert, umgekehrt aber nicht. Schlussendlich müssen wir dann doch Maloti beziehen. An der grossen Tankstelle ausserhalb der Stadt kann nur bar bezahlt werden – zum Glück (oder eben deswegen) hat es hier einen Bancomaten.
Lesotho ist ein bergiges Land und somit führen die Strassen und Pisten vorwiegend in west-ost-Richtung und über Pässe. An diesem Tag überqueren wir deren fünf mit den schönen Namen Bushmans Pass, God help me Pass, Blue Mountain Pass, Pass of Jackals und Mokhoabong Pass. In dieser Gegend wird vorwiegend Ackerbau betrieben, Getreide und Mais. Die riesigen Äcker in den Ebenen und auf den runden Hügelkuppen sind z.T. frisch gepflügt, die steileren Hänge sind terrassiert und ebenfalls beackert, an den dafür zu steilen Hängen kleben die Hütten der Bauern … ein hartes Leben, vor Allem wenn man bedenkt, dass im Winter die Temperatur auch gerne unter null sinkt …
Hier in den Bergen ist es einsamer und so stellen wir uns am Abend einfach neben die wenig befahrene Piste auf eine ebene Stelle. Eine sensationelle Aussicht, wir freuen uns, hier einen ruhigen Platz gefunden zu haben – aber wie es in Afrika eben so ist, bleiben wir nicht lange allein. Schon bald haben wir Gesellschaft von drei Hirtenjungen, später kommen noch zwei weitere Kinder dazu … geduldig und auch neugierig harren sie so lange neben MANni aus, bis es späteste Zeit wird, das Vieh nach Hause zu treiben … für dieses Mal werden ich meinem Prinzip untreu, ohne Gegenleistung etwas zu geben – jeder erhält zwei Bonbons, es gibt kein Gedränge und Geschupse, geduldig wird gewartet, bis man an der Reihe ist und jeder bedankt sich höflich auf Englisch dafür – Europäische Kinder würden sich nie so gesittet benehmen! Natürlich sind einige der Racker schon früh am nächsten Morgen wieder hier …
Diese Kinder sind leider die Ausnahme von dem, was wir sonst in diesem Land erleben. Ich weiss, dass die meisten Leute hier, wie auch anderswo in Afrika und in vielen Ländern auf der ganzen Welt, sehr arm sind. Ich bin jedoch trotzdem immer wieder irritiert, wie selbstverständlich Touristenfahrzeuge mit der Handfläche nach unten zu sich gewinkt resp. zum Anhalten animiert werden und wie schnell sich die Hand umdreht und entweder ganz offen die Handfläche gezeigt wird oder gar Daumen und Zeigefinger aneinander gerieben werden … je touristischer, desto öfter und nachdrücklicher. Manchmal können wir gar sehen, dass hinter uns her geschimpft wird oder eine obszöne Geste folgt, wenn wir winkend vorbeifahren …
Die gute, breite Piste schlängelt sich weiter durch die Berge. Wir haben gelesen, dass der nächste Pass, der Menoaneng Pass, steinig, ausgewaschen und schwierig zu fahren sei – so ist es dann auch. Nach einem kleinen Dorf beginnt die Piste anzusteigen und wird von einem Meter auf den anderen felsig, steinig, extrem ausgewaschen und schmal! Langsam und vorsichtig holpern wir die steile Piste nach oben und hoffen nach jeder Kurve, dass es bald besser wird … zum Glück und zu unserer Erleichterung ist es nach der Passhöhe endlich soweit.
Schneller als geplant erreichen wir die östliche Seite dieses kleinen Landes und somit den Beginn des höchsten befahrbaren Passes in Südafrika, den Sani Pass, dessen «Passhöhe» sich lediglich wenige Meter vor der Grenze zu Lesotho befindet. Passhöhe in Anführungszeichen deshalb, da es sich wie beim Maloja Pass im Bergell um einen einseitigen Pass handelt – nach der letzten Hochebene und dem Grenzposten von Lesotho geht es nur noch steil und in engen Serpentinen bergab …
In Lesotho strahlt die Sonne vom wolkenlosen Himmel. Schon von Weitem haben wir aber gesehen, dass über Südafrika eine dicke Wolkendecke ausgebreitet ist und diese immer wieder Wolkenfetzen nach oben schickt – grundsätzlich ein schöner Anblick und ein schönes Gefühl, über und nicht unter dieser Decke zu stecken ! Der Nachteil ist jedoch, dass wir nur eingeschränkte Sicht auf den spektakulärsten Teil des Passes haben … In der Hoffnung, dass es besser wird, kehren wir im höchsten Pub Afrikas ein und stärken uns, bevor wir in die Suppe eintauchen . Zu unserer Freude haben die Wolken dann doch noch ein wenig Erbarmen mit uns und als wir losfahren, sehen wir den Verlauf der Piste bis weit unten – nicht, dass dies wirklich die innere Anspannung verringert hätte, welche sich bemerkbar macht, aber immerhin ist es so keine Fahrt ins Ungesehene … Schon bald heisst es somit Sonnenschein ade und nach 8 Kilometern, am Grenzposten von Südafrika, befinden wir uns unter der nun aufgelockerten Wolkendecke und 1000 Höhenmeter tiefer, deren 300 schon alleine nach zwei Kilometern Piste oder einem Kilometer Luftlinie! Ich muss gestehen, diese wenigen Kilometer haben es in sich. Die Piste ist schmal, steinig und steil, der Kurvenradius klein bis sehr klein, die geraden Passagen im unteren, flacheren Teil felsig oder ausgewaschen … nur gaaaanz langsam und in den untersten Gängen manövriert Armin uns drei da hinunter. Nur einmal ist eine Kurve so eng, dass er ein wenig zurücksetzen muss und wir sind nicht unfroh, als wir beim Südafrikanischen Grenzposten ankommen. Wir sind uns einig – obwohl es grundsätzlich kein Problem ist, werden wir uns und vor Allem MANni dies nicht noch ein weiteres Mal zumuten.
In den einschlägigen Foren wird immer wieder darauf hingewiesen, dass der Sani Pass bald nicht mehr «der Pass der Pässe» und ein MUSS für jeden 4×4-Fahrer sein wird, der Südafrika befährt, da er in nicht langer Zukunft geteert und somit für Jedermann und-frau problemlos zu befahren sein wird. Nach dem Grenzposten von Südafrika wird tatsächlich gebaut und verbreitert – ob das jedoch bis zur Passhöhe möglich sein wird, ist eine Herausforderung für die Erbauer … wenn es wirklich gemacht wird, wird der obere, steile und schmale Teil, welcher den Pass so «attraktiv» macht, durch riesige Kunstbauten, Brücken und Mauern zugebaut und somit eine wunderschöne Landschaft verschwunden sein … den Chinesen sei Dank . Dass auch viele Tourgides, welche Scharen von Touristen den Pass hinauf- und hinunterchauffieren, ihren Job verlieren, wäre ein weiteres Ergebnis dieses Ausbaus …
Da wir uns am Ende dieser abenteuerlichen Fahrt wieder im Land der Zäune befinden, landen wir fast gezwungenermassen auf der Campsite einer Gästefarm. Auch in den nächsten Tagen, in denen wir entlang und immer wieder in die Drakensberge fahren, ist es schwierig bis unmöglich, frei zu stehen. Entweder sind die omnipräsenten Zäune das Hindernis, die verstreut liegenden Häuser und Hütten der Bevölkerung oder die Nationalparks und Nature Reserves.
Seit wir Lesotho verlassen haben, sind wir in der Provinz KwaZulu Natal unterwegs. Vieles hier ist so, wie in vielen Provinzen des Landes. Es gibt aber auch deutliche Unterschiede. Ähnlich wie in Lesotho ist es in dieser Provinz afrikanischer, ursprünglicher, traditioneller, weniger «weiss» als sonst im Land. Inklusive Strassenmärkten, Horden von Schulkindern in Schuluniformen und zu Fuss unterwegs, Haarextensions und Perücken und vielem mehr.
Die Drakensberge sind ein wunderbares Wandergebiet – wenn sich die Temperaturen denn in einem normalen Bereich bewegen. In diesen Tagen ist es fast die Regel, dass das Thermometer schon am früheren Morgen die 30° Marke locker übersteigt und wir somit nicht wie Bergziegen durch die Landschaft rennen und hüpfen, sondern eher wie halbtote Fliegen im Schatten sitzen … Na ja, zu unserer Ehrrettung muss ich sagen, dass wir trotz der Hitze doch zweimal eine kleine, ziemlich schweisstreibende Wanderung machen …
Ein lustiges Erlebnis haben wir an unserem einzigen freien Stellplatz in der Nähe des Amphitheaters, eines fünf Kilometer langen Bergkessels im Royal Natal Nationalpark: im Verlauf des Nachmittags stellen zwei junge Männer wenige hundert Meter neben uns ein kleines, leuchtoranges Zelt auf einer kleinen Hügelkuppe auf – obwohl es dort ziemlich windig ist, getrauen sie sich anscheinend nicht neben uns in den Windschatten zu kommen.? Ihr Auto lassen sie am Rand der Piste stehen, obwohl es neben und vor uns auch viel Platz zum Parkieren hat … Nicht lange und es kommt ein Auto nach dem anderen angefahren und alles Mögliche wird ausgeladen: Kühlboxen, Kameras, Stative, Monitore, Stühle, Feuerholz … am Schluss tauchen noch zwei Frauen mit einem kleineren Hund auf und so langsam dämmert es uns – hier will niemand übernachten, hier wird ein Film gedreht! Der Regisseur verteilt seine Befehle, der Kameramann schultern seine Kamera, der bärtige Hauptdarsteller wir instruiert und der Hund platziert … immer und immer wieder wird der arme Hund mit Goodies dazu gebracht, mit seinem Filmherrchen vom Zelt weg oder zum Zelt zu laufen, hochzuspringen und den glücklichen Begleiter zu spielen … uns kommt es vor, wie wenn hier eine Sequenz «Südafrikanischer Nik Hartmann mit Hund und Zelt alleine auf Wanderung in den Drakensbergen» gedreht wird .
Während diesen Tagen in den Drakensbergen finden wir ein paar Mal spezielle Orte um etwas zu essen oder um Gutes zu kaufen. Einmal ist es die «Valley’s Bakery», wo wir nicht nur eine ausgezeichnete Mezze-Platte serviert bekommen, sondern auch ausgezeichnetes Brot (endlich wieder einmal ein Produkt, das diesen Namen auch verdient !) und Torten kaufen können. Lekker … Auf dem Rückweg von Monks Cowl «müssen» wir dort nochmals einkehren, Torte essen und feine Guetzli kaufen … Ein anderes Mal fahren wir am «Little Switzerland» Resort vorbei, kehren jedoch nicht ein. Erst als wir am Rückweg vom Amphitheater nochmals hier vorbeikommen, zieht es uns doch durch das grosse Tor – und wir sind arg enttäuscht, dass der Name nicht das hält, was es suggeriert … auch das Essen ist nicht Schweizerisch (ich habe mich insgeheim schon auf ein gutes Zürigschnätzlets mit Röschti gefreut) und wir merken, dass dieses Resort eins von vielen eines grossen Hotelkonzerns ist … einzig das Schweizerkreuz und das grosse Plakat von Grindelwald an der Rezeption sind CH-mässig.
Zum ersten Mal, seit wir in Südafrika sind, nehmen wir die Autobahn. Als wir jedoch schon bald einen schweren Unfall passieren (der vierte, seit wir im Land sind!) und es ausserdem kostenpflichtig wird, beschliessen wir, die mehr oder weniger parallel verlaufende Landstrasse zu beehren – wir sind ja nicht auf der Flucht und es spielt keine Rolle, ob wir einen Tag früher oder später ankommen … wie schon oft bemerkt und auch schon geschrieben: Zeit zu haben ist der grösste Luxus, den wir uns vorstellen können und wir baden geradezu in diesem Luxus!
Schön, dass wir in Richtung Durban auf der Landstrasse unterwegs sind. Denn auf der Suche nach einem Übernachtungsplatz etwas ausserhalb von Nottingham Road kommen wir an einem Schild vorbei, welches unsere Neugier und unseren Hunger weckt: The Bierfassl. Da wir schon dran vorbei sind, wird kurzerhand gewendet – vielleicht dürfen wir über Nacht auf dem grossen Parkplatz stehen, wenn wir dort zu Abend essen? Wir dürfen und so geniessen wir echt Bayrisch/Österreichische Kost, einmal Eisbein mit Sauerkraut, einmal Tiroler Gröstel … lekker . Als Zugabe gibt es noch einen Brandy am offenen Feuer auf der Terrasse und zum Einschlafen ein vielstimmiges Froschkonzert … ebenfalls lekker … (Allgemein wird in Südafrika alles, was gut, schön und erfreulich ist, oder was gut schmeckt, «lekker» genannt. Hier in der Gegend fällt uns jedoch speziell auf, wie oft das Wort gebraucht wird – alles lekker? )
Übrigens: obwohl das Lokal Bayrisch/Österreichisch geprägt ist, wähnen wir uns eher in England – die Ortsnamen, die Landschaft und die Häuser lassen uns glauben, im vom kommenden und immer wieder herausgeschobenen Brexit geplagten Land zu sein … lediglich das Wetter will nicht so ganz passen .
Unser Reifenproblem ist immer noch aktuell – so wie wir es einschätzen, wird es sehr schwierig werden, vier oder gar sechs neue Michelin Reifen zu bekommen. Als einzige Alternative kommt der Continental in Frage – aber auch dieser Reifen wird von der Armee gefahren und somit sind fast keine für den privaten Verkauf auf Lager …
Zurück in die Vergangenheit:
Da wir sicher über Durban fahren werden, hat Armin schon Anfangs Oktober über das Internet versucht, dort einen Händler ausfindig zu machen, welcher eventuell die gewünschten Reifen für uns besorgen und bis zu unserer Ankunft an Lager nehmen kann. Er findet auch tatsächlich eine Adresse und schon nach dem ersten Mailkontakt haben wir das Gefühl, dass es klappen könnte. Dave kann uns über seinen Kontaktmann bei Continental die gewünschten sechs Reifen dann auch wirklich besorgen und nimmt sie sogar gleich bei sich an Lager. Als Beweis schickt er gar ein Foto mit den mit «Armin» angeschriebenen Reifen . Somit sollte uns nicht wieder dasselbe passieren wie in Kapstadt … Grob geschätzt, werden wir Anfangs November bei ihm die Reifen montieren lassen – kein Problem, meldet euch einfach ein paar Tage vorher an …
Zurück in die Gegenwart:
Wie schon so oft, sind wir etwas schneller als geplant unterwegs. Nachdem wir eine ruhige Nacht beim Bierfassl verbracht haben, uns unterwegs nicht nur im EU-abtrünnigen Inselkönigreich, sondern auch mal im Emmental wähnen (inklusive «Swissland Cheese»-Schild am Strassenrand), treffen wir am Mittag des 21. Oktober in Hillcrest bei Durban ein. Dieser Vorort liegt am Rand einer Landschaft, welche sehr passend «Valley of 1000 hills» heisst. Bis zum Horizont sehen wir bewaldete Hügel, die leuchtend violett blühenden Jacarandabäume stechen wie einzelne Inseln aus dem grünen Meer hervor.
In Hillcrest ist die besagte Reifenfirma und als wir eintreffen, werden wir herzlich begrüsst und ins Büro gebeten. Die Reifen sind da, was jedoch fehlt, sind die gleichzeitig bestellten Tyrandichtringe. Auch einer unserer gebrauchten Ersatzringe bringen kein Licht ins Dunkel – obwohl Dave schon seit 25 Jahren im Business tätig ist, hat er noch nie eine solche Dichtung gesehen und kennt nur die Sprengringfelgen, welche mittels O-Ring abgedichtet werden … da er dieses Dichtsystem nicht kennt, hat er sogar in Deutschland nachgefragt und von dort vorsorglich Dichtungen bestellt – diese werden jedoch erst Ende Woche hier eintreffen (ich will ja niemanden nerven, aber) – kein Problem für uns, wir haben ja Zeit . Die Sache lässt ihm aber keine Ruhe und während er uns zum Mittagessen einlädt, telefoniert sich sein Angestellter die Finger auf der Suche nach Tyranringen wund … einzig Michelin Südafrika hat Dichtungen, welche die richtigen sein könnten, jedoch ganz anders genannt werden: «Cornice seals». Und wie Dave ist, er bestellt sechs davon, obwohl er ja welche aus Europa erwartet: «Schlimmstenfalls habe ich dann eben sechs auf Lager …»
Übrigens: die Einfuhr, das Verschiffen und der Handel mit LKW und sonstigen grossen Reifen ist nur ein Standbein dieser Firma. Daneben kauft Dave alte Reifen auf, welche geschreddert werden. Das geschredderte Material wird nach Grösse gesiebt und in alle Welt verkauft und verschifft. Je nach Einsatzgebiet wird das Material eingefärbt und verbringt sein zweites Leben als Tartanbahn, als Unterlage auf einem Spielplatz, als Mulchmaterial im Garten oder … Bis zu fünfzehn Container geschredderter Reifen verlassen pro Monat Durban sowie seine Zweigstellen in Kapstadt und Port Elisabeth – das nenn ich sinnvolles Recycling !
Heute ist nichts mehr zu machen und da es in der Stadt nahezu aussichtslos ist, einen sicheren Platz für die Nacht zu finden, fahren wir durch den Feierabendverkehr, welcher etwas chaotischer als in Europa ist, ans Meer, wo wir auf einem Strandparkplatz dem Regen und Wind die kalte Schulter zeigen und eine ungestörte Nacht verbringen. Erst am nächsten Nachmittag kommt die Nachricht, dass die von Michelin gelieferten Dichtungen tatsächlich die richtigen sind und somit dem Reifenwechsel nur noch die Distanz zwischen unserem Aufenthaltsort und der Firma im Wege steht …
Damit die Reifen gleich am Morgen gewechselt werden können und am Nachmittag die Spur eingestellt werden kann, fahren wir noch am selben Nachmittag zurück und dürfen auf dem Firmengelände von Dave übernachten. Gut bewacht/überwacht verbringen wir eine ruhige Nacht.
Da weder Dave noch sonst wer, schon gar nicht seine schwarzen Mitarbeiter, je dieses Felgensystem gesehen haben und deshalb auch nicht wissen, wie das geht, stürzt sich Armin trotz der herrschenden Hitze in seinen Overall und nimmt die Sache in seine Hände. Der uns zugewiesene Arbeiter staunt und lernt, genauso wie Dave und die anderen Angestellten. Bis am Mittag sind MANni’s Reifen am Fahrzeug gewechselt, das Ersatzrad mit neuem Reifen zurück an seinem Platz hoch oben an der Rückwand und der neue Ersatzreifen vorne eingepackt und richtig positioniert vor dem Kuhfänger. Nach dieser Aktion will Dave Armin auf der Stelle als Lehrmeister für seine Arbeiter anstellen – morgen kann er schon beginnen .
Ein Zurück in die Zukunft ersparen wir uns … denn erstens wissen wir noch nicht, ob und wie wir mit den Reifen zufrieden gewesen sein werden – und wir leben ja in der Realität und nicht im Film!
Ende gut, alles gut? – Leider nicht, denn beim Reifenwechsel hat Armin entdeckt, dass die hinteren Radlager Spiel haben … und wenn wir bis jetzt nicht schon gemerkt hätten, dass wir mit Dave einen Sechser im Lotto gezogen haben, spätestens ab jetzt wäre uns das klargeworden. Denn nicht nur, dass er uns die alten Reifen abkauft (die können nachgerillt werden und sind von den Farmern als Anhängerreifen gesucht), nein, er organisiert uns auch einen Termin bei MAN in Durban, begleitet uns dorthin, macht denen an den nächsten beiden Tage immer wieder die Hölle heiss, zeigt und erklärt uns Durban, so wie er es als Kind erlebt hat und wie es heute ist, nimmt uns ins Aquarium, besucht mit uns eine Delphinschau (na ja, nicht eben mein Geschmack, aber die Begeisterung der Südafrikanischen Schüler und deren Tanz- und Gesangseinlagen sind einmalig !), lädt uns an allen Tagen zum Mittag- und zum Nachtessen ein (einmal sogar Braai mit seiner Familie bei sich zu Hause), chauffiert uns zu einem Bed & Breackfast, da wir in der Werkstatt nicht im MANni übernachten dürfen, holt uns am Morgen wieder da ab … uns ist es schon bald peinlich, mit welcher Selbstverständlichkeit und Gastfreundschaft er sich Zeit für uns nimmt. Einzig sein Handy ist immer an und oft ist er auch am Telefonieren und Organisieren … «Solange ich mein Handy habe, ist alles kein Problem!»
Zu guter Letzt, als MANni am Freitag um 14:00 Uhr endlich aus der Werkstatt entlassen wird, «nur» eine Stunde später als am späteren Vormittag versprochen, begleitet er uns noch zu seinem Bekannten, der die Spur einstellen wird … Dort verabschieden wir uns voller Dank von ihm – er muss weiter, wir dürfen MANni nach der Spureinstellung noch für eine Wäsche bei MAN vorbeibringen. Dass wir fast eine Stunde warten müssen und es somit erst um 17:00 Uhr soweit ist, bis er abgespritzt wird, macht mich doch angesichts der einbrechenden Dämmerung nicht eben glücklich … Heute ist es so auch schon kurz vor Dunkelheit, als wir unseren MANni auf den uns vom Montag bekannten Strandparkplatz am Meer stellen …
Nochmals ganz, ganz herzlichen Dank an Dave und seine Frau Jody – wir sind nach Durban gekommen, um die Reifen zu wechseln und verlassen die Stadt mit zwei neuen Freunden . Und mit einem MANni, welcher nach der Wellnesskur in Kapstadt hier einer Schönheitskur unterzogen wurde – verdient hat er beides allemal!
Noch einige Gedanken und Bemerkungen zu Durban: wie uns Dave erklärt hat, muss diese Stadt am Indischen Ozean während der Apartheit baulich viele Ähnlichkeiten mit Kapstadt gehabt haben. Schöne, moderne Geschäftshäuser, gut unterhaltene Wohnhochhäuser – eine Stadt der Weissen. Nach dem Ende dieses unrühmlichen Kapitels in der Geschichte des Landes ist eine schwarze Regierung an die Macht gekommen (anders als in Kapstadt, welches von Weissen regiert wird). Dies hatte zur Folge, dass immer mehr Weisse wegzogen und immer mehr Schwarze in die Innenstadt kamen. Mit ihnen kam auch ihre Kultur in die Stadt – konkret heisst das, Strassenmärkte begannen die Bürgersteige zu blockieren, Abfall wurde einfach fallengelassen, das Leben spielt sich mehr draussen als drinnen ab. Mangels Wissen oder Geld wurde der Unterhalt der Häuser vernachlässigt, die fertig gebauten Stadtbus-Spuren und -Haltestellen wurden nie in Betrieb genommen usw. Das alles mit der Konsequenz, dass viele Gebäude in einem maroden Zustand sind, überall Müll herumliegt oder -fliegt, die «neuen» Bushaltestellen meist eingeschlagene Scheiben haben … Viele der grossen Konzerne haben neue Geschäftshäuser ausserhalb der Stadt gebaut und so einen neuen Stadtteil gegründet, die weisse Bevölkerung umgibt seinen Privatbereich mit hohen Mauern und Elektrozäunen, lässt das Haus rund um die Uhr bewachen. Sicher gibt es Ausnahmen und wir haben uns auch nie unsicher gefühlt, aber nachdenklich macht mich diese Entwicklung trotzdem …
Seit kurzem ist die Stadtregierung bestrebt, den maroden Stadtteil beim Hafen zu sanieren und neu zu beleben, es soll eine Waterfront ähnlich der in Kapstadt mit Geschäften, Restaurants und Flaniermeilen entstehen, die Stadt wieder attraktiver gemacht werden – die Zukunft wird zeigen, ob dies auch verwirklicht werden kann.
Was weiter in und um Durban auffällt, sind die vielen Inder. Wie wir von Dave erfahren, lebt hier die zweitgrösste Inder-Immigrantengesellschaft der Welt.
Und zu guter Letzt: ab hier wird es wieder tropischer.
Es ist Samstag – ich habe mich schon am Vorabend gefragt, warum uns der Security gefragt hat, wie lange wir bleiben und uns die Info gibt, dass der Parkplatz um 8:00 Uhr am Morgen geschlossen wird? Schon um 7:00 Uhr beginne ich zu begreifen – der Platz ist gestossen voll, der Strand wimmelt von Spaziergängern, Joggern, Surfern, Familien, welche zum Spielen und Sonnen-Baden hier sind, Frühturnern usw. Auch wir gesellen uns später dazu und spazieren gemütlich am Strand entlang.
Dave hat uns an der Küste bis nach Mosambik einige Orte empfohlen, Campingplätze, Restaurants und Ausflugsziele. Einer davon ist der Küstenort Ballito mit seinem grossen Campingplatz und dem Restaurant «Al Pescatore». Wir fahren die beiden Orte in der umgekehrten Reihenfolge an – zuerst den Magen mit Austern und Pizza beruhigen (die Pizza ist zu gross, deshalb nehmen wir den Rest mit) dann zum mit vielen Bäumen bewachsenen und erstaunlich vollen Campingplatz. Dort kann Armin am späteren Nachmittag das ausgerissene (oder gar nie richtig befestigte?) Kabel eines der Solarpanels anschliessen und ab nun bringt die Anlage auf dem Dach eine noch nie erreichte Leistung !
Das «Al Pescatore» sieht uns auch am nächsten Mittag, dieses Mal voller Vorfreude und mit gesundem Appetit. Wir sind ja lernfähig – heute gibt es keine Vorspeise und die uns vorgesetzte Fisch- und Meerfrüchteplatte mit Reis, Pommes und Gemüse füllt auch so den letzten Winkel unserer Mägen. Zum Glück sind wir trotz der Hitze zu Fuss unterwegs …
Am nächsten Tag möchten wir im nahegelegenen kleinen Einkaufszentrum eigentlich nur einkaufen und tanken – bis am Nachmittag ist dann ausserdem das seit Ende Juni kaputte Display des iPads ausgewechselt, wir haben uns mit einer Angelrute, je einer Schnorchelausrüstung und Flossen eingedeckt und meine Haare sind wieder einmal professionell korrekt und sensationell billig gestutzt worden. Zusätzlich geniesse ich eine herrliche Kopfhaut- und Nackenmassage .
Unser nächstes Ziel heisst Thula Thula, ein privates Game Reserve in der Nähe von Empangeni, welches wir zwei Tage später besuchen. Dieses Reservat ist vor Allem durch das Buch «Der Elefantenflüsterer», geschrieben vom unterdessen verstorbenen Besitzer Lawrence Anthony, bekannt geworden. Im Buch beschreibt Anthony seine Erlebnisse und Erkenntnisse mit einer siebenköpfigen, schwierigen Elefantenherde, welche er übernommen und denen er in seinem Reservat eine neue und sichere Heimat gegeben hat. Diese, inzwischen neunundzwanzigköpfige (!) Elefantenherde, welche von Nahem beobachtet werden kann, möchte ich unbedingt besuchen. Der Game drive ist zwar auch als Day Visitor nicht eben billig und ich habe schon unvergessliche Begegnungen mit Elefanten gehabt, aber trotzdem … um es gleich zu sagen, der Game drive mit dem Headranger Siya ist ein besonderes Erlebnis und wir haben das Glück, einige der Elefanten aus nächster Nähe zu sehen. Darunter ist ein übermütiger Jungbulle, welcher immer wieder versucht, das Auto mit dem Rüssel zu berühren und Siya zwingt, mehrmals zurückzusetzen (die Elefanten sollen den Respekt und das natürliche Distanzverhalten gegenüber den Fahrzeugen und zu den Menschen nicht verlieren). Und die alte Elefantendame und ehemalige Leitkuh Nana, welche nach der Ankunft in Thula Thula als Erste das Vertrauen in Lawrence erlangt hat, gibt uns auch die Ehre. Dann sehen wir noch Zebras, Giraffen (80 leben im Reservat!), Impalas, Nyalas, Gnus, von Weiten eines der Breitmausnashörner, die vierköpfige Hippofamilie, das einzige Krokodil und und und … glücklich und zufrieden verabschieden wir uns nach dem feinen Mittagessen von Thula Thula und steuern wiederum in Richtung Küste.
Nun beginnt das «Küstenhüpfen»: von St. Lucia nach Cape Vidal, von da nach Hluhluwe zur Bushbaby Lodge (nomen est omen), weiter über Sodwana Bay bis nach Kosi Bay nahe der Grenze zu Mosambik. In diesen Tagen kommen wir immer wieder durch Naturreservate, sehen viele Tiere, darunter Giraffen, einige Antilopenarten, Kudus, Breitmaulnashörner, Paviane, Meerkatzen usw. Auch auf den verschiedenen Campingplätzen sind Streifenmangusten und Meerkatzen anzutreffen und auch die Vogelwelt ist gut vertreten.
Auf einem Campingplatz ist der Besitzer nicht sicher, ob wir wegen MANni’s Höhe zu den schönen Plätzen fahren können (wir können ), auf einem anderen Platz wird uns einer der hintersten, eingemummeltsten und ungeeignetsten Sites zugewiesen … sind nun die Äste zu tief oder ist MANni zu hoch?
Und wir lernen während dieser Tage einige Leute kennen (man merke sich: nur auf offiziellen Platzen hat man oder frau die Chance, gleichgesinnte zu treffen!). In der Bushbaby Lodge sind es ein Deutsches Paar, mit einem Bremach unterwegs, und ein Freund von ihnen, unterwegs mit einem Mietauto. In Sodwana Bay treffen wir uns mit Silvia und Beat, welche mit ihrem Nissan mit Bimobil-Aufbau in südlichen Afrika herumreisen (dieses Treffen war vereinbart, da wir seit ein paar Tagen per WhatsApp in Kontakt gewesen sind). Schön ist es, wieder einmal Schweizer zu treffen und die drei Tage zusammen verfliegen im Nu! Und auf einem Ausflug in Kosi Bay sind ebenfalls Schweizer an Bord – Johanna und Res aus Zürich und dem Bernbiet.
Nun stehen wir seit Donnerstag, 7. November, ganz alleine auf dem Gelände der Palm Tree Lodge in Kosi Bay. Das Wetter ist unterdessen so so, la la. Hatten wir am ersten Tag über 40°C (der Superpool rettet uns vor einem Hitzeschlag ), am Freitag starken Wind, am Samstag recht schönes Wetter, so war es gestern bewölkt, aber noch trocken und heute haben wir Gewitter und Regen – die Leute sind froh um das Nass und wir versuchen wirklich, uns mit ihnen zu freuen, ganz gelingt uns das aber (noch) nicht …
Hier ist es einer der seltenen Fälle, dass wir auch organisierte Ausflüge machen: bei Starkwind lassen wir uns am Freitag über Wellblech und tiefsandige Pisten zum Kosi Mouth fahren, wo wir schnorchelnd die Unterwasserwelt des Indischen Ozeans ansatzweise bewundern können. Dies inklusive zwei auf der Lauer liegenden Muränen!
Am Samstag dann eine Drei-Seen-Bootsfahrt zu Raffiapalmen und den traditionellen Fischereikraals aus Ästen (die Methode wird von Generation zu Generation weitergegeben und ist eine nachhaltige Methode, Fische zu fangen). Auf dem Rückweg können wir unter den Wurzeln der Mangroven schnorcheln und die in sich gut organisierten Kinderstuben verschiedener Tropenfische beobachten. Ausserdem können wir das Schwarmverhalten der Jungfische aus nächster Nähe provozieren und studieren …
Heute ist Montag und die nächsten Tage sollen regnerisch bleiben – wir sind nicht sicher, ob wir über Eswatini (ehemals Swaziland) oder direkt von hier nach Mosambik weiterziehen sollen … sicher ist nur, dass wir spätestens am Freitag dieses abwechslungsreiche und weitläufige Land verlassen müssen … die 90 Tage, welche wir bei der Einreise erhalten haben, sind dann um.
Goodby, rafiki yetu! Kwaheri kwa sasa …
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